Das Zentrum der geistigen Selbstdisziplin als solcher ist in Zersetzung begriffen. Die Tabus, die den geistigen Rang eines Menschen ausmachen, oftmals sedimentierte Erfahrungen und unartikulierte Erkenntnisse, richten sich stets gegen eigene Regungen, die er verdammen lernte, die aber so stark sind, daß nur eine fraglose und unbefragte Instanz ihnen Einhalt gebieten kann. Was fürs Triebleben gilt, gilt fürs geistige nicht minder: der Maler und Komponist, der diese und jene Farbenzusammenstellung oder Akkordverbindung als kitschig sich untersagt, der Schriftsteller, dem sprachliche Konfigurationen als banal oder pedantisch auf die Nerven gehen, reagiert so heftig gegen sie, weil in ihm selber Schichten sind, die es dorthin lockt. Die Absage ans herrschende Unwesen der Kultur setzt voraus, daß man an diesem selber genug teilhat, um es gleichsam in den eigenen Fingern zucken zu fühlen, daß man aber zugleich aus dieser Teilhabe Kräfte zog, sie zu kündigen. Diese Kräfte, die als solche des individuellen Widerstands in Erscheinung treten, sind darum doch keineswegs selber bloß individueller Art. Das intellektuelle Gewissen, in dem sie sich zusammenfassen, hat ein gesellschaftliches Moment so gut wie das moralische Überich. Es bildet sich an einer Vorstellung von der richtigen Gesellschaft und deren Bürgern. Läßt einmal diese Vorstellung nach—und wer könnte noch blind vertrauend ihr sich überlassen—, so verliert der intellektuelle Drang nach unten seine Hemmung, und aller Unrat, den die barbarische Kultur im Individuum zurückgelassen hat, Halbbildung, sich Gehenlassen, plumpe Vertraulichkeit, Ungeschliffenheit, kommt zum Vorschein. Meist rationalisiert es sich auch noch als Humanität, als den Willen, anderen Menschen sich verständlich zu machen, als welterfahrene Verantwortlichkeit. Aber das Opfer der intellektuellen Selbstdisziplin fällt dem, der es auf sich nimmt, viel zu leicht, als daß man ihm glauben dürfte, daß es eines ist.
The center of intellectual self-discipline as such is in the process of decomposition. The taboos that constitute a man's intellectual stature, often sedimented experiences and unarticulated insights, always operate against inner impulses that he has learned to condemn, but which are so strong that only an unquestioning and unquestioned authority can hold them in check. What is true of the instinctual life is no less of the intellectual: the painter or composer forbidding himself as trite this or that combination of colors or chords, the writer wincing at banal or pedantic verbal configurations, reacts so violently because layers of himself are drawn to them. Repudiation of the present cultural morass presupposes sufficient involvement in it to feel it itching in one's finger-tips, so to speak, but at the same time the strength, drawn from this involvement, to dismiss it. This strength, though manifesting itself as individual resistance, is by no means of a merely individual nature. In the intellectual conscience possessed of it, the social movement is no less present than the moral super-ego. Such conscience grows out of a conception of the good society and its citizens. If this conception dims—and who could still trust blindly in it—the downward urge of the intellect loses its inhibitions and all the detritus dumped in the individual by barbarous culture—half-learning, slackness, heavy familiarity, coarseness—comes to light. Usually it is rationalized as humanity, desire to be understood by others, worldly-wise responsibility. But the sacrifice of intellectual self-discipline comes much too easily to him who makes it for us to believe his assurance that it is one.